Vorbild Biden

von | Nov 10, 2020

Wie wissen wir, dass der Höhepunkt im Leben noch auf uns wartet?

Wie können wir darauf vertrauen, dass wir unsere eigentliche Bestimmung noch nicht gefunden haben?

Wie behalten wir die Geduld und den Glauben dafür, dass da noch was ganz Großes kommt?

Schauen wir auf Joe Biden. Er ist bereits 73 Jahre alt, als er sich 2015 entscheidet, nicht für die US-Präsidentenwahl 2016 zu kandidieren. Er ist da schon sechs Jahre angesehener Vizepräsident der USA unter Barack Obama. Aber sein ältester Sohn Beau Biden ist gerade mit 46 an einem Gehirntumor verstorben. Der zweite große Schicksalsschlag in seinem Leben, nachdem er 1972 seine erste Frau und die einjährige Tochter bei einem Verkehrsunfall verlor. Biden ist angeschlagen, sieht sich nicht als Herausforderer für Donald Trump. Zwei Jahre noch Vizepräsident, dann wird er 75 Jahre sein. Was kann da noch kommen? Von einem der jüngsten Senatsabgeordneten, den die USA je hatte (er war 1973 29 Jahre) zum Vizepräsidenten, den die Welt respektiert: Eine Karriere, die sich sehen lassen kann. Viel mehr geht nicht. Sein Wirken hatte Sinn, Biden hat seinen Teil dazu beigetragen, dem ersten US-Präsidenten afroamerikanischer Abstammung ins Weiße Haus zu verhelfen und seine Amtszeiten mitzugestalten. Das war seine Bestimmung. Oder nicht? Doch was kann das Leben mit einem bald 80-jährigen Ex-Vizepräsidenten noch vorhaben, der zuvor zweimal bei Präsidentenwahlen kläglich gescheitert war?

Und doch: Biden will es noch mal wissen. Mit 77 Jahren. Seine dritte Anwartschaft auf das US-Präsidentenamt. Viele schütteln den Kopf. Und sehen sich bestätigt. Im Februar 2020 verliert Biden die dritte Vorwahl der Demokraten hintereinander mit einem desaströsen Ergebnis. Man ist sich einig: Joe, lass es. Oder: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Was mag Biden damals gedacht haben, als er auch in Nevada weit abgeschlagen hinter Bernie Sanders landete? Hat er da noch daran geglaubt, dass sein Weg noch nicht Ende ist? Dass da noch was kommt? Dass er neun Monate später jener Präsident wird, der die meisten Stimmen in der Geschichte des Landes auf sich vereinigt? Jener Präsident, der es tatsächlich schafft, Donald Trump aus dem Weißen Haus zu verjagen? 

Joe Biden geht nun in die Geschichtsbücher ein und das hat nur wenig mit Vorsehung zu tun, sondern viel mehr damit, dass der 78-Jährige bis zum Schluss den Glauben an sich nicht verlor, große Entschlossenheit und Beharrlichkeit an den Tag legte.

Ich bin immer wieder erstaunt, was das Leben für uns alle an Wegen und Gipfeln parat hat, wenn wir an uns, unser Handeln und unsere Überzeugung glauben. Wir alle richten uns ja immer ein: Wir haben unseren Job, unsere Aufgaben, unsere Routinen und denken irgendwann: Ja, was soll da noch kommen? Aber das Leben kann wundervoll sein – wenn du es willst. It’s never too late. Doch wie sollen die Dinge zu dir kommen, Dinge, die du dir wünschst, wenn du selbst gar nicht daran glaubst? Und vor allem, wenn du selbst nichts tust, damit sich diese Dinge realisieren? Es ist nie zu spät für deine Träume. Doch damit diese wahr werden musst du handeln, aktiv sein, dafür arbeiten, dich einsetzen.

Der Sieg von Joe Biden erzählt Unmengen von Geschichten. Eine der wichtigsten ist für mich: Das Leben kann wundervolle Wendungen für uns haben, wenn wir daran glauben. Unsere Bestimmung auf dieser Erde hat eine Menge damit zu tun, dass wir immer alles für möglich halten sollten, sagt ein nachdenklicher Mounir.