Vom Mensch sein
Nicht mehr, nicht weniger.
Es wird manche geben, die merken werden, dass sie nie gelernt haben zu lieben. Es wird andere geben, die wissen, dass sie zu wenig dafür getan haben, um geliebt zu werden.
Das Leben verzeiht nicht. Du zahlst stets einen Preis, für das, was du tust. Wenn du wenig für die Liebe tust, dann erlebst du auch kaum eine.
Liebe ist nichts, was auf einmal da ist. Viele trösten sich mit dem Gedanken, na ja, ich habe eben nicht die richtige, den richtigen getroffen. Die Umstände waren nicht dafür gegeben, das war eben so.
Als ob Liebe mit zufälligen Zeitpunkten zu tun hätte. Mit Gegebenheiten. Wie sagte es Erich Fromm: Das wäre ja so, als wenn der Maler erst mit dem Malen begänne, wenn das richtige Motiv um die Ecke kommt. Das Malen, das Lieben gilt es zu üben, zu pflegen, zu entwickeln. Wie ein Pflänzchen, das wachsen muss.
Es wird Menschen geben, die vielleicht auf ihrem Sterbebett feststellen werden, dass sie in ihrem Leben ganz oft Recht hatten. Oder dass sie ihr Recht durchgesetzt haben. Dass sie viele Kämpfe gewonnen haben. Dass sie respektiert wurden. Dass sie erfolgreich waren, auch das. Das ist schön. Hat aber nichts mit Liebe zu tun. Auf dem Grabstein könnte dann stehen: Er oder sie hat sich immer durchgesetzt. Klingt gut. Oder: Sie oder er hatte ein finanziell sorgenfreies Leben. Toll. Aber auch das garantiert keine Liebe.
Wir müssen die Liebe im Innen tragen, um sie im Außen zu finden.
Das fängt mit der Selbstliebe an, muss aber weitergehen, indem man die Welt, die Natur, die Menschen liebt. Dieses Grundgefühl ist die Basis. Jene mit einem liebevollen Blick zu beschenken, die das gar nicht erwarten und gar nichts dafür getan haben. Wie oft hast du Gelegenheit, das zu tun. Einfach so. Liebe zu verschenken. An die Kinder, die genau das Gegenteil machen, von dem, was du dir vorgestellt hast. An den Kollegen, der schlecht über dich redet. An die Nachbarn, die nerven. Die Ex-Frau, den Ex-Mann. Der ehemalige Geschäftspartner. Den Kassierer. Liebe trägt gerne das Kleid von Nachsicht, Verständnis oder Empathie. Und wie viel besser fühlt sich das an. Liebe vermehrt sich, indem man sie gibt.
Hassen geht einfacher, ich weiß. Unterschiede feststellen ist einfacher als nach Gemeinsamkeiten zu schauen. Abwerten geht schneller als das mir Unbekannte als etwas Wertvolles zu akzeptieren. Wer ist schon richtig? Wieso sollte ich derjenige sein, der Recht hat? Wieso maßen wir uns manchmal an, andere für etwas zu verurteilen, wofür es kein richtig oder falsch gibt? Wir haben immer die Wahl: Will ich Liebe oder Hass? Auf welchem Spielfeld will ich stehen? In jedem Moment unseres Lebens können wir selbst entscheiden, wie wir fühlen wollen. Wir sind dafür verantwortlich, was wir fühlen. Kein anderer. Ich möchte niemanden hassen. Ich möchte verstehen. Ist das nicht Mensch sein?