Tuesday Post 18 Juni 2019
Mein Kaffee, den ich an diesem Morgen trinke, kommt aus Nicaragua und ich erinnere mich an meinen Aufenthalt dort 2017. An die feuchte Hügellandschaft, die felsigen, weiten Strände, aber vor allem an die Menschen, die im „Armenhaus“ Amerikas ihren Frohmut und Optimismus nicht verloren haben. Kaffee ist dort die wichtigste Exportware.
Und Kaffee aus Nicaragua gilt immer noch als exquisit. Jede einzelne Kaffeekirsche wird von Hand gepflückt. Danach muss die Ernte geschält, getrocknet und von Hand verlesen werden. Trotz der harten Arbeit 12 Stunden am Tag kommen die Kleinbauern im Schnitt gerade einmal auf ein paar Euro am Tag. Das langt noch nicht einmal in Nicaragua dafür, um eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Etwa fünf Euro bekommt man für einen Zentner gepflückten Kaffee.
Die Gewinne werden nicht am Anfang der Handelskette erzielt. Von zehn Euro, die der Kunde für ein Kilogramm Kaffee bezahlt, gehen zwei Drittel an den Transporteur, den Röster und die verschiedenen Händler. Der deutsche Staat kassiert knapp drei Zehntel des Ladenpreises als Steuern. Den Bauern bleiben gerade einmal sechs Prozent. Das hat auch mit dem Geiz in einem Land wie Deutschland zu tun, das der größte Exporteur von Röstkaffee in der Welt ist. Für die 500-Gramm-Packung Kaffee ist der deutsche Endverbraucher kaum bereit mehr als fünf oder sechs Euro zu zahlen.
Doch das Kaffeegeschäft boomt und das hat vor allem mit den überteuerten Kapseln zu tun, die dank George Clonney in beinahe jede Küche Einzug gehalten hat. In Nicaragua haben wir damals einen Dänen kennengelernt, der versuchte mit einer Kooperative eine Kaffeerösterei aufzubauen, um den fertigen Kaffee in Europa zu verkaufen. Denn wirklich Geld verdient man erst mit dem Kaffee, wenn er weiterverarbeitet wird. Doch das wollen die Europäer nicht, denn das würde weniger eigenen Gewinn bedeuten. Auf importierten Röstkaffee gibt es einen Importzoll von 7,5 Prozent, Rohkaffee ist zollfrei, natürlich.
60 Prozent mehr Umsatz könnte Nicaragua erwirtschaften, wenn die Wertschöpfung bis zum Endprodukt in den eigenen Händen behalten werden würde. Davon könnten nicht nur die Kaffeebauern profitieren, sondern alle, die an der Produktion beteiligt sind: die Frauen etwa, die die Bohnen sortieren; die Männer, die ihn rösten. Solche Schritte wären echte Entwicklungshilfe. Denn, wenn der Kaffee in Nicaragua weiterverarbeitet werden würde, könnten mehrere zehntausend gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden. Doch davon haben die Kaffeeimperien in Deutschland nichts. Also soll alles beim Alten bleiben. Und so sitze ich hier, trinke meinen leckeren Kaffee und bin mal wieder betroffen, wie unsere Welt so funktioniert. Wir leben auf Kosten anderer.
Mag man nicht hören, ist aber so, denkt heute ein nachdenklicher Mounir.