Tuesday Post 17 Dezember 2019

von | Dez 17, 2019

Ich mag Menschen, die zu ihren Schwächen stehen. Aber wem geht es nicht so…

Der Chef, der einräumt, zu wenig Konfliktfähigkeit zu besitzen? Respekt. Der Speaker, der preisgibt, mit wie viel Schiss in der Buchse er auf der Bühne steht? Erfrischend. Die Kollegin, die zugibt, dass sie das neueste Projekt überfordert? Sympathisch. Menschen, die sich so verhalten, werden uns vertrauter, wirken nahbarer, menschlicher und liebevoller.

Es ist nun mal so: Wir alle haben unsere Schwächen und werden leider auch täglich mit ihnen konfrontiert. Wir wissen, dass wir nicht perfekt sind. Ob selbst auferlegter Leistungsdruck, Ungeduld, Langsamkeit, der Hang, nicht nein sagen können, fehlende Flexibilität oder Rettersyndrom: Zu uns gehören Wesenszüge, die uns das Leben erschweren und es gibt viele Menschen, die diesen Teil von sich nicht mögen, ablehnen.

Menschen, die auf uns souverän wirken, sind da anders; sie wissen um ihre Schwächen, akzeptieren sie als Teil ihrer selbst. Laufen Dinge nicht so wie sie sollen, dann suchen sie die Schuld nicht woanders, sondern fragen sich, wo der eigene Anteil liegt und übernehmen damit Verantwortung für ihr Tun. Sie verdammen sich nicht dafür, sondern wissen, dass das zum Leben dazugehört. Das ist Souveränität. Sich über die eigenen „Schwächen“ klar zu werden, hilft, sich mit ihnen zu versöhnen.

Ein nächster Schritt könnte dann sein, herauszufinden, welche positiven Aspekte in der benannten „Schwäche“ liegen: Wer nicht „nein“ sagen kann ist meist äußerst hilfsbereit. Jemand, der nicht flexibel reagieren kann, zeichnet sich durch einen hohen Grad an Organisation und Zuverlässigkeit aus. Wer langsam arbeitet oder denkt ist wahrscheinlich genauer und gründlicher im Tun.

Nun gibt es aber auch Menschen, die nicht nur ihre „Schwächen“ identifizieren wollen, sondern auch an ihnen arbeiten wollen. Aber es hilft in meinen Augen wenig, jemanden, der an Lampenfieber leidet, zu sagen, du musst nur an dich glauben oder du musst es wirklich wollen. Man kann natürlich trainieren, in dieser oder jener Situation besser zu agieren, doch viel wichtiger und nachhaltiger ist es zu schauen, wer man wirklich ist. Welche Ereignisse haben dazu geführt, dass man sich in gewissen Situationen nervös fühlt? Wann war das mal anders und warum? Was ist es eigentlich, was einen nervös macht? Wieso ist das so? Und viel wichtiger: Wie kann man die Dinge, die zu den eigenen Stärken zählen, für diesen Kontext nutzen?

Für mich verfügt jeder Mensch über genug Ressourcen und Stärken, um sein Leben zufriedenstellend zu meistern. Es gilt oftmals nur, sich auf die Suche nach ihnen zu machen. Sie liegen wie verborgene Schätze tief in einem drin und wollen nur gehoben werden. Die Stärkung des eigenen Ichs, die Selbstliebe und das Bewusstsein für sich selbst und das, was einen ausmacht, sind in meinen Augen die Schlüssel für ein ausgeglichenes Leben. Wer seine Schwächen verdrängt verliert das Gleichgewicht. Es ist die Akzeptanz dieser Schwächen, die uns stark macht. Selbstliebe ist der Motor für Glück, davon bin ich überzeugt.

Deshalb rückt Eure Schwächen in das Scheinwerferlicht, um so mit ganzer Kraft auf der Bühne des Lebens agieren zu können. Zu seinen Schwächen stehen, heißt, sich Raum für Entwicklung und Wachstum zu geben, sagt ein nachdenklicher Mounir…