TOD IM JEMEN

von | Apr 13, 2021

Was sagt man Kindern, die seit 7 Monaten keinen Reis mehr gesehen haben?
Wie tröstet man einem Jungen, der vor lauter Hunger Blätter isst?
Wie schaut man eine 12-Jährige an, die nur noch 10 Kilogramm wiegt?
Wie kann man einer Mutter Hoffnung machen, die seit Wochen ihrer Familie nur noch verschimmeltes Brot und zuckerlosen Tee zum Essen gibt?
Wie erklärt man hungernden Menschen, dass tausende von Tonnen an Getreide wegen Blockaden durch Kriegsparteien nicht verteilt werden können.
Wie erträgt man es, wenn 14 Monate alte Babys nur fünf Kilogramm leicht sind, seine Arme wie Fäden herunterbaumeln?
Wie sage ich einer Bevölkerung, dass sich die Welt an ihr Leid gewöhnt hat?
 
Am 26. März 2015 griff Saudi-Arabien mit anderen arabischen Verbündeten die Huthi-Rebellen im Jemen an. Seitdem herrscht einer der grausamsten Kriege der Neuzeit. Sunniten töten Schiiten, Schiiten töten Sunniten, Araber bombardieren Araber, Muslims lynchen Muslims. Bezahlen muss die Bevölkerung.
 
6 Jahre Krieg im Jemen bedeutet in Zahlen:
230 000 Tote.
Darunter: 2500 in Kriegshandlungen getötete Kinder
Geschätzte 90 000 an Mangelernährung verstorbene Kinder.
Aktuell 1,8 Millionen unterernährte Kinder unter fünf Jahren.
8,5 Millionen vom Hungertod bedroht Menschen.
 
In 5000 Kilometer Entfernung tobt ein Krieg, der jede Vorstellung von Grauen übersteigt.
 
UN-Generalsekretär Gutierrez erklärte schon 2018, dass der Jemen-Krieg die schlimmste humanitäre Krise weltweit sei.
 
Dass Deutschland erst 2018, drei Jahre nach Ausbruch des Krieges, ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien aussprach, ist beschämend.
Dass deutsches Material weiterhin an Kriegsparteien wie Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft wird genauso.
Dass Frankreich, USA und Großbritannien sich durch Waffenverkäufe an die Saudis bis heute bereichern und viele Kriegsgräuel dadurch erst möglich gemacht haben, ist noch beschämender.
 
Der Rubel rollt für viele Waffenproduzenten in der westlichen Welt also weiter, bei den Hilfszahlungen in den Jemen stockt es. Die Bereitschaft der internationalen Ländergemeinde zu helfen geht zurück.
 
Bei der UN-Geberkonferenz Anfang März kamen nur noch 1,7 Milliarden Dollar an Spenden zusammen. Eine Milliarde weniger als noch 2019. Diese Summe deckt weniger als die Hälfte des tatsächlichen Bedarfs, heißt es international. Das hat für viele Menschen im Jemen den direkten Tod zur Folge.
„Die humanitäre Lage im Jemen war noch nie schlimmer“«, sagte UN-Generalsekretär António Guterres im März. Aber sein Appell verhallte.
 
Immerhin: Die von den Saudis angeführte Kriegskoalition hat nun einen Waffenstillstand angeboten. Vor allem weil ihr Förderer und Unterstützer, die USA, Druck machen.
Nach sechs langen Jahren hat Präsident Joe Biden erkannt: „Dieser Krieg muss enden.“
 
Seit langem ist klar: Keiner wird diesen Krieg gewinnen können. Eine bittere Erkenntnis nach 6 Jahren des Tötens und Sterbens auf der arabischen Halbinsel.
Und ich frage mich: Warum also das alles? Wozu? Wieso?
 
Ich verzweifele manchmal an dieser Welt, die für so viele Menschen, Kinder, Alte Trauer, Unglück und Tod bringt.
Warum ich das alles schreibe? Vielleicht, damit wir heute Mittag, wenn wir unser Essen zubereiten, vielleicht mehr zu schätzen wissen als sonst, dass wir jeden Tag das essen können, worauf wir gerade Lust und Appetit haben. Und vor allem so viel wie wir wollen. Dass wir in einen Supermarkt gehen können, Dinge in unseren Einkaufswagen legen, bezahlen und jeden Tag aufs Neue satt werden.
 
Vielen Menschen ist dieser Luxus, genau in diesem Moment, nicht gegönnt.
Lasst uns also daran denken, wenn wir mal wieder mit schlechter Laune unseren Eintopf, die Pizza, die Pasta oder den Sauerbraten „verputzen“. Da draußen gibt es hunderttausende von Menschen, die gerne an unserer Stelle wären, sagt ein nachdenklicher Mounir.