Tuesday Post 04 Februar 2020
Die Zahlen bleiben im Kopf. In der U-Bahn sieht man dann die verschleierte Frau samt drei Kinder, man steigt aus, läuft nach Hause, grüßt den türkischen Gemüsehändler, sieht die Flüchtlingsunterkunft von weitem und fragt sich für einen kleinen Moment, ob der Mann von der Party nicht vielleicht recht hat und wir tatsächlich bald schon in Deutschland eine Mehrheit von Muslims haben. Was tun? Vielleicht mal schauen, was der Wissensstand zu dieser Frage eigentlich so hergibt – bevor man ein nächstes Mal einfach nur wieder nicken muss? Gute Idee.
Ist Deutschland im Jahre 2050 islamisiert? Hier mein Faktencheck dazu.
Die einzige einigermaßen valide Zahl, die es zu diesem Thema gibt, stammt von 2016. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhob damals eine Hochrechnung, der zufolge Ende 2015 zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime in Deutschland lebten, was 5 bis 6 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.
Doch selbst diese Zahl ist problematisch, da die Religionszugehörigkeit über das Herkunftsland erschlossen wurde. Das heißt, Vater aus Türkei oder Tunesien bedeutete, dass alle Nachkommen, Kinder, Enkel, Cousins, etc als Muslime gezählt wurden, egal wie säkulär oder nicht diese Personen sind. Der Pressesprecher des Statistischen Bundesamts hielt deshalb eine Vorausberechnung für die muslimische Bevölkerung mit diesen Daten für problematisch: „Die Ausgangsbasis, anhand derer man die Daten für die Zukunft hochrechnet, ist mehr als unsicher.“
Niemand weiß, wie viel Menschen genau in Deutschland aktuell zu Allah beten. Es gibt kein Verzeichnis dafür. Muslime zahlen auch keine Kirchensteuer, die Mitgliedschaft in einem muslimischen Verband oder Moschee ist eher Ausnahme als Regel. Auch ich, Sohn eines eingewanderten Tunesiers werde also als Muslim gezählt, obwohl ich in keiner Weise religiös bin. In meinem direkten Umfeld sind statistisch gesehen von 10 gebürtigen Orientalen maximal zwei religiös, dennoch werden alle zehn in den Zahlen des Bundesamtes den Muslimen zugeordnet.
Eine Forschungsgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung geht für Ende 2016 von rund vier Millionen „konfessionsgebundenen Muslimen“ in Deutschland aus. Die übrigen vermeintlichen Muslime seien nicht religiös und daher „Kulturmuslime“. Wie also vorhersagen, wie die Zahl der Muslime wächst, wenn man noch nicht einmal weiß, wie viele es sind?
Es ist eine Studie des renommierten US-Forschungsinstitut Pew of Research, die aktuell immer wieder für ein Islamisierungsszenario herangezogen wird. Dabei geht es um drei Szenarien, die sich auf unterschiedliche Schätzungen beziehen, was die Zahl an einwanderungswilligen muslimischen Flüchtlingen in den nächsten Jahren angeht. Doch alle Zahlen, mit denen die Forschungsgruppe arbeitet, sind nicht nachprüfbar.
Die SZ schrieb dazu: „Vorweg muss dazu gesagt werden, dass alle drei Prognosen ausdrücklich von extremen – und deshalb äußerst unwahrscheinlichen – Voraussetzungen ausgehen. Vorhersagen zur Bevölkerungsentwicklung sind grundsätzlich schwierig, genau wie zu Flüchtlingsbewegungen und Migration. Jede der Prognosen ist für sich genommen deshalb nicht realistisch.“ NICHT REALISTISCH! Und auch die Forscher selbst sagen, dass die Interpretation der Zahlen „schwierig“ sei.
In dem dramatischsten Szenario, bei dem das Institut von einer Zuwanderungsrate in den nächsten 30 Jahren ausgeht, wie es sie in den Hochzeiten der Flüchtlingsbewegung gab, prognostizieren die US-Amerikaner 20 Prozent Muslime für Deutschland im Jahr 2050. Schon jetzt zeigt sich aber, dass die Flüchtlingsbewegung stark abgenommen hat. Doch selbst, wenn jeder Mensch aus einer Migrantenfamilie als Muslim gezählt wird, selbst wenn die Zuwanderung jedes Jahr die Ausmaße der Jahre 2014 bis 2016 hat, selbst wenn die Muslime weiter überproportional Kinder bekommen, kann von einer Islamisierung keine Rede sein, wenn am Ende nur jeder fünfte Muslim sein soll. Bleibt es bei einem gedrosselten Tempo der Einwanderung (so wie aktuell) steigt die Zahl auf elf Prozent, so sagt es Pew. Aber auch hier sollte man Achtung walten lassen, wie Sozialforscher sagen: Denn je länger Muslims in Deutschland leben, desto höher ist die Chance, dass ihre Nachkommen säkularisiert sind und mit dem Islam wenjger zu tun haben als dass bei ihren Vorfahren war.
Interessant ist, dass in Deutschland vom subjektiven Empfinden her bereits eine Islamisierung stattgefunden hat. Bei einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos mit dem Namen „Perils of Perception“ ist in der Wahrnehmung der Befragten jeder fünfte Bundesbürger (21 Prozent) Muslim. Der tatsächliche Anteil an Muslimen an der Gesamtbevölkerung entspricht mit knapp 5 Prozent nicht einmal einem Viertel des Schätzwertes.
Mir hat diese Recherche einigen Aufschluss gegeben. Lasst Euch also nicht von den Schwarzmalern, den Faktenbehauptern beeindrucken. In den meisten Fällen ist die Welt nur bei Populisten in Schwarz-Weiß aufteilbar. Nur ganz selten sind die Dinge so wie sie auf den ersten Blick erscheinen, sagt ein nachdenklicher Mounir.
Moin, die von Ihnen genannten Zahlen habe ich auch schon gesehen.
Doch decken sich die Zahlen mit den Eindrücken beim Besuch einer x-beliebigen deutschen Innenstadt?
Schon vor 2010 gab es Artikel in deutschen Zeitungen, in denen von Klassen mit einem Migrationsanteil von über 90% die Rede war.
Meine Frau arbeitet als Kita-Leitung in einer Kita in S-H. Dort werden rund 100 Kinder in mehreren Gruppen betreut.
Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund wächst von Jahr zu Jahr und liegt bei deutlich über 90%.