CHRISTOPH M. – EINER VON 18 761
Hat dieser 40-jährige Mann tatsächlich Reue verspürt, als er das Gerichtsgebäude in Düsseldorf letzte Woche als freier Mann verließ?
Hat er sein anderthalb-jähriges Schweigen zu Vorwurf und Anklage bezüglich des Besitzes und Verbreitung kinderpornographischer Bilder wirklich bereut?
Hat er es bedauert, eine Strategie gewählt zu haben, die darauf abzielte, Zeuginnen zu diffamieren?
Christoph M.
Ex-Fußballer, Ex-Star, Ex-Idol.
Vorbestraft.
Überführt, Bilder, auf denen Kindern massiv sexuelle Gewalt angetan wurden, besessen und verbreitet zu haben.
Verurteilt zu einer Freiheitsstrafe – auf Bewährung.
Christoph M., welches Leben wartet nun auf dich?
In Cafes wird man dich nicht mehr bedienen.
Auf der Straße werden die Menschen vor dir ausspucken.
Du wirst höchstwahrscheinlich niemals mehr in deinem Leben ein öffentliches Schwimmbad, einen See oder einen Strand besuchen.
Deine Freunde werden sich abwenden.
Niemand will mehr mit dir gesehen werden.
Familienmitglieder werden ihre Türen verschlossen halten.
Kein Mensch wird mehr mit dir Geschäfte machen.
Du wirst deine 11-jährige Tochter nicht mehr zur Eisdiele mitnehmen können.
Kein Restaurant will dich als Gast sehen.
Du wirst kein Stadion, keine Konzerthalle, kein Theater, kein Museum mehr von innen sehen.
Deine Lebensmittel musst du dir anliefern lassen.
Du wirst dich fühlen als habest du eine schwere ansteckende Krankheit. Gleich einem Aussätzigen wirst du fortan Teil dieser Gesellschaft sein. Deine Richterin verzichtete deshalb auf die Verhängung einer Geldstrafe.
Wo wirst du leben? Wie wirst du leben? Wovon wirst du leben?
Christoph M., tiefer kann man nicht fallen.
Oder doch? Einen Gang ins Gefängnis verhinderte allein die Tatsache, dass sich die Gesetzeslage erst nach deinen Taten veränderte. Erst seit März diesen Jahres ist festgelegt: Männer wie du werden fortan mit mindestens einem Jahr Freiheitsentzug bestraft und das nur in Ausnahmefällen auf Bewährung. Die Verbreitung von Bildern, auf denen Kinder missbraucht werden, ist seit diesem Jahr endlich kein Vergehen mehr, sondern ein Verbrechen. Und das ist sehr gut so.
Aber in welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Eigentlich unvorstellbar, aber diese Tat ist nur eine von vielen, vielen Tausenden jedes Jahr!
18 761 Fälle wie deine hat es 2020 gegeben. Nur geschätzte zwei bis drei Dutzend der Täter mussten dafür ins Gefängnis. Der Rest? Geldstrafe oder Verurteilung auf Bewährung. Damit ist nun Schluss und das ist ein wirklich guter Schritt.
Sich am Leid von Kindern zu ergötzen, sich dabei sexuell zu erregen ist eine Perversion, die nicht zu ertragen ist. Wir bezeichnen so etwas als „krank“. Warum lassen sich nur die wenigsten behandeln, bevor sie die schrecklichen Fotos und Filme konsumieren und damit die aufgenommenen Kinder wieder und wieder „vergewaltigen“?
Hinter Kinderpornografie steht in den allermeisten Fällen ein realer Kindesmissbrauch, der Kindern unermessliches Leid zufügt und sie ein Leben lang traumatisiert. Das, Christoph M., musste dir klar sein. Du hast es dennoch getan.
Die Gesetzeslage hat dir ein Urteil beschert, welches zu diesem Zeitpunkt erwartbar war und die Experten aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem alten Strafrecht vorhergesagt haben. Eine Geldstrafe wäre zusätzlich angemessen gewesen, sicher. Eine Therapie? In die hast du dich jetzt erst – viel zu spät – nun freiwillig begeben. Aber auch da wäre eine verpflichtende Auflage ein gutes Signal an die Öffentlichkeit gewesen.
Das Strafmaß ist das eine, was du dir aber vor allem vorwerfen musst, Christoph M., ist, dass du dir nicht selbst rechtzeitig Hilfe geholt hast. Als du merktest, eine Vorliebe für kinderpornographische Bilder zu haben, wäre der sofortige Weg zu einem Psychologen, einem Therapeuten verantwortungsvoll gewesen. In einer Therapie, die der Schweigepflicht unterliegt, hättest du dich, aber vor allem die abgebildeten KINDER schützen können. Christoph M., du warst ein Vorbild!
Sexuelle Gewalt an Kindern ist ein düsteres, ein schlimmes, ein kaum zu ertragenden Thema. Doch es gilt darüber zu reden, es gilt wachsam zu sein. Die Verschärfung des Strafrechts ist ein positiver Schritt. Denn 2020 hat es über 16 000 Fälle von erfolgtem sexuellem Missbrauch an Minderjährigen gegeben. Experten beziffern die Dunkelzahl auf 240 000 Fälle. 240 000 Kinder und Jugendliche in diesem Land sind demnach wahrscheinlich Opfer sexueller Gewalt geworden!
Der Gedanke daran, dass jeden Tag 800 Kinder in diesem Land sexuell missbraucht werden, sprengt jede Vorstellungskraft.
Christoph M. hat keine Kinder physisch vergewaltigt. Das gilt es auch festzuhalten. Leid hat er den abgebildeten Kindern dennoch angetan. Die Strafe, die er dafür bekommt, mag für den einen oder anderen auf den ersten Blick als nicht ausreichend wirken. Doch das Leben, das fortan auf den Ex-Fußballer wartet, das ist Bestrafung pur, sagt ein nachdenklicher Mounir.