BUNTE BINDE
Schön, dass Manuel Neuer als Kapitän der Nationalmannschaft eine Regenbogen-Binde am Arm trägt – als Zeichen der Solidarität mit der LGBTIQ-Community (Lesbian, Gay, Bi, Trans, Intersexuell, Queer)
In den vergangenen 48 Jahren haben geschätzt etwa 7000 Fußballer in der Bundesliga gespielt. Ein einziger von ihnen hat sich in der Zeit seit 1963 als homosexuell geoutet.
Homophobe Vorurteile sind noch immer sehr verbreitet, schwulen Fußballern wird auch 2021 noch geraten, sich ja nicht zu offenbaren.
Fußballspielende Kinder werden immer noch groß mit der Vorstellung, dass homosexuelle Aktive nicht dem Idealbild des Fußballs entsprechen.
Witze über Homosexuelle, der Ausruf „Bist du schwul“ gehören noch selbstverständlich zum Miteinander in Deutschlands Fußballkabinen- und Stadien.
Schwule Fußballer könnten für einen Abbau von Vorurteilen sorgen, doch genau die fehlen im öffentlichen Bewusstsein.
13 Prozent der LGBTIQ In Deutschland wurden in den vergangenen fünf Jahren körperlich oder sexuell attackiert.
Eine verbale Belästigung mussten sogar 36 Prozent in Deutschland erleiden.
23 Prozent der in Deutschland lebenden LGBTIQ -Personen wollen Angriffe nicht anzeigen, weil sie Angst vor homophoben oder transphoben Reaktionen der Polizei haben.
45 Prozent vermeiden es aus Angst vor Angriffen, sich mit ihrer Partner*in händchenhaltend in die Öffentlichkeit zu begeben.
2020 gab es in Deutschland knapp 800 homophob motivierte Angriffe.
In Dresden, Gießen und Altenburg wurden 2020 fünf schwule Männer ermordet.
38 Prozent der Deutschen stören sich daran, dass sich homosexuelle Paare in der Öffentlichkeit küssen.
83 Prozent der Deutschen befürworten die gleichgeschlechtliche Ehe, aber nur die Hälfte davon hätte kein Problem, dies im direkten Umfeld zu haben. Das heißt, Applaus für Schwule Paare draußen ja, aber wehe sie wollen zur eigenen Tür hinein….
Schön, dass Manuel Neuer als Kapitän der Nationalmannschaft eine Regenbogen-Binde am Arm trägt.
Ein Zeichen, ein Erinnern, eine Aufmunterung. Mehr erst einmal nicht.
Denn für die Veränderung müssen wir alle sorgen, als Bürger, als Arbeitskollegen, als Fußballer, als Fans.
Viele schimpfen – zu Recht – auf die UEFA, angesichts des Eiertanzes rund um das Thema Werbung für Vielfalt. Aber die UEFA wird nicht dafür sorgen, wie wir im Alltag mit dem Thema Homo- und Transsexualität umgehen. Es ist einfach, auf einen Fußballverband zu schimpfen.
Lasst uns lieber schauen, wie oft wir selbst wegschauen, weghören, wenn es um Diskriminierung und Ausgrenzung von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen Menschen geht.
In einer Online-Befragung des Ministeriums für Arbeit, Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg gaben 73 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, im schulischen Umfeld auf negative Reaktionen aufgrund ihrer Sexualität gestoßen zu sein. Mehrere Befragte gaben sogar an, sich wegen der negativen Einstellungen der Mitschüler erst nach dem Schulabschluss „geoutet“ zu haben.
Das muss aufhören.
Also lasst uns anfangen, genauer hinzuhören, nachzufragen, wenn einer sagt: „Du Schwuler.“ Was meinst du damit? Wieso erhebst du dich? Was ist so schlimm daran?
Lasst uns anfangen, bei homophoben Witzen zu sagen, „nein, das ist nicht lustig, das ist Diskriminierung.“
Lasst uns Abwertungen dort sofort benennen, wo sie auftauchen.
Schön, dass Manuel Neuer als Kapitän der Nationalmannschaft eine Regenbogen-Binde am Arm trägt, aber damit verändert sich erst einmal nichts für Millionen von LGBTIQ -Personen in Deutschland.
Wir sollten in unserem Umfeld für gelebte Vielfalt eintreten.
Wenn irgendwann die LGBT-Community tatsächlich gleichberechtigt in unserem Land lebt, dann wird keiner mehr darüber reden, ob Manuel Neuer eine bunte Binde trägt oder nicht. Und das wäre doch die viel bessere Variante, sagt ein nachdenklicher Mounir.