BRIEF AN DEN WEIHNACHTS-MANN 2020

von | Dez 8, 2020

Lieber Weihnachtsmann,
ich heiße Nils und bin acht.
Ich schreibe dir in diesem Jahr, auch wenn ich gar nicht weiß, ob du am Heiligabend überhaupt kommen darfst.
Denn Reisen ist ja verboten. Aber vielleicht geht das für dich ja mit Maske. Nicht wundern, Mama schimpft dann bestimmt, denn sie sagt immer, die ganzen Masken taugen nichts.
Da braucht man FDP-Masken und davon zwei, sagt sie immer. Hast du die? Denn du darfst ja nicht krank werden. Du bist ja auch schon ganz alt. Der Opa von Maxi ist auch gestorben. Aber können denn Weihnachtsmänner überhaupt tot sein? Ich hoffe nicht, denn wer bringt denn dann die Geschenke…?
Vielleicht lässt du die Pakete dieses Mal einfach vor der Tür oder im Garten. Dann kann auch niemand schimpfen wegen dem Abstand. Ich kümmere mich dann darum, sie reinzuholen.
Hast du die Pakete mit Spray gereinigt? Keine Sorge, Papa macht das sowieso. Er ist da sehr streng. Ich muss jeden Tag ganz oft meine Hände sauber machen. In der Schule, zu Hause, im Supermarkt. Das Zeug riecht voll eklig. Aber du hast ja Handschuhe zum Glück.
Fliegst du mit deinen Rentieren eigentlich auch nach China und bringst Geschenke dorthin? Das darfst du Papa nicht sagen, denn der sagt, die Chinesen sind schuld an allem. Ob er auch die Kinder meint, weiß ich aber nicht.
Ich passe immer auf, dass ich meine Maske anhabe. Auch in der Schule. Denn ich will ja nicht, dass ich jemanden anstecke oder ein anderer mich ansteckt. Denn wenn sich viele anstecken, dann sterben ja auch mehr. Ich habe Leute gesehen, denen ist das egal. Das verstehe ich nicht. Man muss ja nur die Maske aufhaben und mit dem Abstand aufpassen. Das ist ja nicht viel verlangt. Sagt auch meine Lehrerin, Frau Schultheiß.
Sonst habe ich mich ja immer sehr auf Weihnachten gefreut, aber dieses Jahr nicht so sehr. Mama und Papa streiten oft.
Auch weil wir nicht wissen, wer kommt. Früher haben wir ganz viel Besuch gehabt. Aber dieses Mal will Papa das nicht. Mama schon. Sie hat gestern das Wohnzimmer ausgemessen und gesagt, dass Tante Anna, Onkel Klaus und Tom, mein Cousin, Oma Margit und mein großer Bruder Karl mit Nicole, seiner Freundin, locker an den Tisch passen. Papa hat dann gesagt, nur mit Test!
Mama rief dann: Und wenn sie positiv sind, lassen wir sie dann im Garten? Und knallte die Tür. Papa ging hinterher und schrie sie an, dass sie ihren Grips einschalten solle. Da habe ich laut gelacht.
Heute hat Tante Anna angerufen und Papa vorgeschlagen, draußen zu feiern. Mama schüttelte nur den Kopf und sagte: „Na toll, dann stirbt Oma Margit nicht an Corona aber an Unterkühlung.“ Papa schmiss dann das Telefon auf den Tisch und war so wütend wie an dem Tag, als ich in Spanien mal verloren ging.
Corona an Weihnachten ist echt blöd.
Skifahren, der Chor in der Kirche, die Weihnachtsmärkte, die Kracher zu Silvester, alles fällt aus. Aber das Virus ist ja in der ganzen Welt. Ich habe Mama gefragt und sie hat gesagt, dass es sogar in Australien, Afrika und Japan dieses Corona gibt. Da kann man nur noch zum Mond, habe ich gedacht. Aber dort muss man dann so große, schwere Helme tragen, das ist ja auch blöd.
Ich habe dann zu Papa gesagt, am liebsten wäre ich ein Milliardär mit ganz viel Geld. Das würde ich dann verschenken, damit man ein Medikament findet. Und alle Leute auf der Welt würden sich freuen, dass ich soviel Geld dafür gebe. Ich wäre dann auf der ganzen Welt bekannt und alle würden mich toll finden. Papa lachte: „Das hat schon ein anderer reicher Mann ausprobiert und funktioniert nicht so.“ Ich habe das aber nicht verstanden.
Ich war wirklich ganz brav. Auch bei den blöden Mutproben in der Schule habe ich nicht mitgemacht. Leo hat nämlich gewollt, wenn ich zu seiner Bande gehören will, dann muss ich eine verlorene Maske von der Straße aufheben und sie anziehen. Aber das ist doch voll eklig. Da bleibe ich lieber allein, habe ich gesagt.
Aber jetzt soll es ja einen Impfstoff geben. Das hat Mama gesagt. „Dann wird endlich alles gut“, hat Papa laut gerufen.
Da bekam ich eine Idee. Wie wäre es, lieber Weihnachtsmann, wenn wir auf Geschenke dieses Jahr verzichten und du legst allen Menschen in der Welt das Medikament unter den Weihnachtsbaum, damit keiner mehr krank werden kann?
Dann könnten wir uns wieder umarmen und alles wäre so wie früher.
Ich habe echt genug Spielzeug und Anziehsachen. Ich bräuchte nur ein neues Skateboard, aber das kann ich mir auch zum Geburtstag wünschen. Ich wäre echt okay damit. Und ich glaube, die anderen auch. Bei Leo und Tom, zum Beispiel, da sind auch die Schränke voll, das weiß ich genau.
Also, lieber Weihnachtsmann, lass alles wieder gut werden. Bitte, bitte, bitte!
Frohe Weihnachten. Sagt Nils.
Und ein nachdenklicher Mounir.