Alles Gute, Youssoufa!

von | Nov 24, 2020

Wenn du 16 Jahre alt wirst entdeckst du langsam das Leben. Oder das Leben entdeckt dich. Eine Frage der Perspektive.

Du darfst auf einmal allein bis 24 Uhr in die Disko, darfst dir die Haare färben oder eine Flasche Bier kaufen, ohne dass ein Erwachsener dabei sein muss. Im Normalfall nerven dich die Pickel, die blöden Lehrer und deine Eltern, die immer wissen wollen, wo du bist. Mädchen werden immer wichtiger und du merkst, dass das mit denen gar nicht so einfach ist. Kickst du Fußball, dann spielst du in diesem Alter meist in der B-Jugend gegen andere 15- und 16-Jährige, die fast immer genauso bunte Schuhe haben wie du. In der Kabine erzählst du von den letzten geilen You-Tube-Toren aus England und Spanien und wie du wen bei „Fifa“ abgezockt hast.

Ansonsten kommt dir die Welt viel komplizierter vor als sie eigentlich ist. Was völlig normal ist, wenn du gerade noch Kind warst, langsam Barthaare bekommst und drauf und dran bist, erwachsen zu werden.

Youssoufa Moukoko ist auch 16. Gerade geworden.

Er schaut die Bundesliga aber nicht am TV, wie seine Kumpels, sondern kickt selbst mit. Am Wochenende ist er der jüngste Bundesligaspieler aller Zeiten geworden. Einer seiner vielen Rekorde.

„Wunderkind“, „Super-Teenie“, „größtes Talent der Welt“ wird er genannt.

Ganz Fußball-Deutschland kennt den Namen des Dortmunder Buben. Kein deutsches Medium hat in den letzten Wochen nicht über Moukoko berichtet. Vor zwei Jahren unterschrieben die Eltern des Spielers einen Vertrag mit Nike, der ihm anscheinend 10 Millionen Euro einbringen soll – Youssoufa selbst durfte mit 14 noch keinen Vertrag unterzeichnen – ihm fehlt ja die Geschäftsfähigkeit. Aber dafür hat er ein Instagram-Konto, wo ihm über 700 000 Fans folgen.

Was macht das mit einem Teenie? Wie geht ein gerade 16 Jahre alt gewordener Jugendlicher mit all dem Hype und dem Geld um? Was löst das bei einem Heranwachsenden aus?

Der Gesetzgeber hat nicht ohne Grund strengste Vorkehrungen gesetzlicher Art für Jugendliche getroffen. Er sieht eine „besondere Schutzbedürftigkeit“ für sie vor.

Doch wie kann man ein „Wunderkind“ schützen? Alle wollen ihn sehen, ihn bewundern. Moukoko läuft in den großen Arenen des Landes auf, steht in der Bundesliga, in der Champions League wie kein anderer im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Wie soll da ein Schutz funktionieren?

Doch was passiert, wenn das erste körperliche und mentale Loch kommt? Wie geht ein 16-Jähriger damit um, wenn irgendwann mal von Formkrise, Absturz oder Torflaute geschrieben und gesprochen wird?

Dafür gibt es kein Pflaster oder Verband, der die Schmerzen lindern wird.

In Dortmund machen sich die Verantwortlichen gerade Sorgen um den Hype, den Moukoko auslöst. Das gehe zu weit, sagen sie. Ich verstehe das.

Hätte es Moukoko geschadet, erst in einem Jahr Bundesliga zu spielen? Er wäre dann 17 Jahre alt gewesen. Ist das zu spät? Hätte er deshalb sportlich stagniert? Wäre er deshalb ins Ausland gewechselt? Musste man unbedingt die Regularien ändern, damit junge talentierte Fußballer noch früher Teil des großen Business werden?

Was ist mit deren Seele? Geld und kurzer Ruhm sind kein Trost, wenn du innerlich leidest. Und ein Jahr bedeutet für die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen immens viel. Es gibt viele Beispiele von „Wunderkindern“, die im Alter von dem großen Druck erzählen, den Momenten der Krise, unter denen sie litten, weil sie die hohen Erwartungen, die die Welt an sie gestellt hatte, nicht erfüllen konnten. Egal?

Ich frage mich, wo der Dortmunder Teenie in fünf Jahren spielen wird. Er ist dann erst 21 Jahre alt.

Für viele fängt da der Traum von der großen Karriere erst an. Ich hoffe, dass dieser Traum für Moukoko dann nicht schon zu Ende sein wird. Denn der Junge ist ein wunderbarer Fußballer. Gegen Brügge am Dienstagabend werden alle Kameras jede Bewegung und Geste des jungen Kickers wieder verfolgen.

Er könnte bei einem Einsatz der jüngste Champions-League-Spieler aller Zeiten werden. Der nächste Rekord. Und was kommt dann? Hoffentlich nur Gutes, sagt ein nachdenklicher Mounir.